Vom 9. August bis zum 2. September befindet sich Wendy Holdener in Ushuaia im Trainingslager. In der Freizeit hat sich die Schwyzerin Zeit genommen, einige Fragen von skionline.ch zu beantworten.
peg. Vom 9. August bis zum 2. September befindet sich Wendy Holdener in Ushuaia im Trainingslager. In der Freizeit hat sich die Schwyzerin Zeit genommen, einige Fragen von skionline.ch zu beantworten. Wendy Holdener über die Zeit in Argentinien, die Abfahrt, den Abstand zu Mikaela Shiffrin, die gewonnene Kristallkugel und ein etwas missverstandenes Interiew.Wendy Holdener, Sie trainieren derzeit in Argentinien. Gibt es definierte Schwerpunkte, auf die im Training dort besonders hingearbeitet wird?Wendy Holdener:„Die Trainingsschwerpunkte haben meine Trainer und ich gemeinsam noch in der Schweiz besprochen, bleiben aber im Detail eine interne Angelegenheit. Nun heisst es, diese definierten Schwerpunkte umzusetzen und auch noch diverses Material auszuprobieren. Natürlich gehört die technische Verbesserung ständig zu den Trainingsschwerpunkten.“
Werden Sie in Südamerika auch FIS- oder Südamerika-Cup-Rennen bestreiten, um schon in den Rennrhythmus zu finden?„Nein, leider sind hier in Ushuaia/Cerro Castor keine Rennen geplant. Ansonsten wäre ich diese wohl gefahren. Aber wer weiss, Änderungen im Programm können ja immer vorkommen...“
Sie sind nun schon einige Tage in Argentinien. Was lässt sich dort besser/intensiver trainieren als auf den Gletschern in Zermatt/Saas Fee?„Hier sind die Höhenmeter und der richtige Winter die beiden wichtigsten Faktoren. Wir können im Vergleich zu Trainings auf den Gletschern in der Schweiz mehr trainieren. Das heisst: wir können mehr Läufe bestreiten, ohne gleich müde zu werden. Und dies alles auf Winterschnee.“
Andere Umgebung, andere Menschen – wie wichtig ist ein Trainingslager in einem entfernten Land für Ihren Kopf? Oder ist es durch die identische Arbeit und die Tatsache, dass sie als Teammitglied von bekannten Gesichtern umgeben sind, letztlich egal, wo Sie trainieren?„Für mich ist ein solches Trainingslager im Moment noch sehr wichtig. Wenn ich so lange weg bin, kann ich mich voll und ganz auf das Skifahren konzentrieren. Und das gleich drei Wochen am Stück. In der Schweiz würden wir kürzere Trainingslager machen, würden wieder nach Hause gehen und ich persönlich würde zuhause nicht jeden Tag an die skitechnischen Schwerpunkte denken. Daher bin ich lieber gleich weg – und schlechter erreichbar.“
Auch wenn Sie im Team unterwegs sind dürfte es das Bedürfnis geben, sich mal zurück ziehen zu können. Wie stellen Sie es an, damit sie diese Zeitinseln auch erreichen?„Ich habe gerne Menschen um mich. Ich geniesse die Zeit im Skiraum, oder auch in der Physio. Zudem spielen wir in unserem Team gerne Kartenspiele.“
Das Freizeitangebot in Ushuaia ist ja nicht gerade übermässig gross. Wie verbringen Sie ihre freien Stunden/Tage?„Während den Skitagen habe ich eher zu wenig Zeit als zu viel. Nach dem Abendessen spielen wir ab und zu eine Runde, oder ich gehe noch kurz an den Computer. An freien Tagen geniesse ich es auszuschlafen sowie am Nachmittag noch ein wenig durch die Stadt zu laufen. Zudem wird es uns in diesem Jahr nicht langweilig, es laufen ja die olympischen Spiele in Rio. Da wir uns in der gleichen Zeitzone befinden ist das optimal.“
Im vergangenen Winter haben sie in der Kombination von Lenzerheide und beim City-Event in Stockholm Ihre ersten Siege im Weltcup gefeiert. Sind Sie mit der Gewissheit gewinnen zu können anders in die Vorbereitung gestiegen als in den Jahren zuvor?„Ich glaube nicht. Natürlich war es sehr schön nach so einer Saison. Ich habe viele Komplimente erhalten und zudem war ich sogar ein bisschen stolz auf mich. Viele wollten von mir wissen, ob ich mich nun unter Druck fühle. Das kann ich momentan aber guten Gewissens verneinen und es ist soweit alles wie vor einem Jahr.“
Noch fehlt der Sieg im Slalom. Sie haben jüngst gesagt, dass es nervig sei zu hören, dass Mikaela Shiffrin nur schlagbar sei, wenn sie ausfalle. Was fehlt ihnen noch, um die Weltmeisterin und Olympiasiegerin auf der Piste zu bezwingen? Fehlt überhaupt etwas?„Ganz klar fehlt da noch etwas, sonst hätte es ja schon geschehen sein sollen. Wir arbeiten fleissig daran, dass der Abstand zu Shiffrin kleiner und kleiner wird. Aber im Sport kann es manchmal auch sehr schnell gehen...“
Im Rennen fahren Sie gegen die Uhr, nicht gegen Mikaela Shiffrin. Und doch stehen am Ende des Rennens auf der Rangliste Namen. Wie blenden Sie aus, dass eben letztlich doch die dominierende Shiffrin die grosse Herausforderung ist?„Ich glaube es spielt keine Rolle, welche Namen schlussendlich vor dir sind oder nicht. Du musst als Rennfahrerin immer dein Bestes geben und danach gehört dazu, dass du deine erbrachte Leistung überprüfst. Das Ziel bleibt jedoch immer das gleiche: du willst mit einer guten Leistung weit vorne. „
Im Slalom gehören Sie zur Weltspitze, im Riesenslalom wollen Sie sich dieser annähern. Wie sieht diese Annäherung Schritt für Schritt aus?„Diese Annäherung hat schon vor 3 Jahren begonnen – leider noch ohne grossen Erfolg. Im vergangenen Jahr habe ich mich verbessert, jedoch noch nicht auf dem Papier. Ich bleibe hartnäckig und bleibe dran.“
Es ist bekannt, dass Sie durchaus auch gerne Abfahrten fahren. Ihre Trainer sind hier noch etwas zurückhaltend, wie sieht es bei Ihnen aus? Ist es so, dass Bauch und Beine Ja sagen würden, der Kopf aber sein Veto einlegt?„Abfahrten sind ab und zu super, ich fahre diese auch sehr gerne. Aber bin ich noch unerfahren und brauche deswegen mehr Tage, um mich auch wirklich zu verbessern. Beispielsweise bin ich die Wartezeiten im Speed noch nicht wirklich gewohnt. Zudem habe ich es gerne, wenn ständig etwas läuft. Am liebsten würde ich gleich mehrmals runterfahren. Aber ich brauche die Slalom- und Riesenslalomtrainings während der Saison und dann wird es einfach zu knapp. Man kann einfach nicht alles auf einmal haben. Momentan macht es keinen Sinn für mich, das ganze Programm zu fahren.“
Sie sind 23 Jahre jung, wo sehen Sie sich bezüglich der Disziplinen in drei, wo in fünf Jahren?„Die Gesundheit ist das Wichtigste. Was die Zukunft bringt, werden wir dann sehen.“
Seit März haben sie eine Kristallkugel für den Gewinn des Kombinationsweltcups zuhause. Wo befindet sich die Trophäe und hilft ein Blick auf die Kugel, um zusätzliche Motivation für kommende Aufgaben zu holen?„Die Kugel steht in unserem Wohnzimmer. Im Frühling war sie aber mit mir teilweise unterwegs zu Sponsorenevents. Ohne mein Umfeld und ohne die Sponsoren hätte ich diese Kugel nicht gewinnen können.“
Sie haben ein gewinnendes Lachen und wirken in der Öffentlichkeit meist gut gelaunt. In einem Interview mit der „Glückspost“ haben Sie aber gesagt, dass Sie eher ängstlich seien und befürchten, dass Ihnen oder Menschen aus Ihrem Umfeld etwas zustossen könnte. Arbeiten Sie mit einem Sportpsychologen daran, mit solchen Gedanken umgehen zu können?„Das Interview ist da wohl etwas falsch rübergekommen, da ich grundsätzlich ja ein sehr positiver Mensch bin. Es sind nicht Ängste im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr die Sorge darüber beziehungsweise die Hoffnung darauf, dass es meiner Familie und meinen engsten Freunden gut geht, wenn ich wegen den Rennen oder wegen Trainingslagern lange abwesend bin. Aber ja, ich arbeite mit einer Sportpsychologin zusammen. In dieser Arbeit geht es aber ausschliesslich darum, dass ich die maximale Leistung auf der Piste beziehungsweise im Rennen abrufen kann.“
Das Interview wurde schriftlich und via E-mail geführt.Foto: Agence Zoom